Friedhof – auf dem Weg zu neuen Traditionen

Er ist eine tragende Säule unserer nationalen Identität, ein sichtbarer Ausdruck der deutschen Erinnerungskultur und ein lebendiger Ort individueller Trauerrituale: der Friedhof und das 2000 Jahre gewachsene Bestattungswesen.

Für die meisten Menschen ist der Friedhof vor allem ein Ort des persönlichen Erinnerns und Trauerns um geliebte Angehörige und Freunde. Doch der Friedhof ist weit mehr: Er ist fester Bestandteil unseres gesamtgesellschaftlichen, kulturellen Selbstverständnisses. Das wird zum Beispiel in der Umschreibung „Land der Dichter und Denker“ deutlich. Das geflügelte Wort würdigt  die Lebensleistung von Schiller, Goethe oder Grass, die zu Lebzeiten unsere Kultur entscheidend prägten. Die Erinnerung an sie, aber auch an alle anderen Vorfahren, gewinnt auf dem Friedhof sichtbaren Ausdruck. Der Friedhof wird somit zum Kultur- und Geschichtsbuch unseres Landes, unserer Städte, unserer Regionen.

Wahl der geeigneten Grabstätte

Nach der Wahl der Bestattungsform: Feuer- oder Erdbestattung, entscheidet sich, welche Möglichkeiten die Angehörigen bei der Wahl der Grabstätte haben. Grundsätzlich können Angehörige frei entscheiden, auf welchem Friedhof die Beisetzung stattfinden soll. Ein Anrecht auf Bestattung haben Verstorbene aber grundsätzlich nur in der Gemeinde, wo sie lebten. Für andere Orte sollte man erst das Einverständnis der zuständigen Verwaltung einholen (Gemeinde, Kirche, etc.).

Die klassischen Grabformen sind:

Das Erdgrab als Reihengrab: Sie sind für die Beisetzung eines oder mehrerer Särge vorgesehen. Die Grabstellen eines Gräberfeldes werden er Reihe nach belegt, es ist nicht möglich, einen Platz zu überspringen. Die von der Verwaltung vorgegebene Nutzungsdauer kann nicht individuell verlängert werden. Die spätere Beisetzung einer Urne ist meistens möglich, muss aber mit der Verwaltung abgeklärt werden.

Das Erdgrab als Wahlgrab: Es erfüllt besondere Wünsche an Größe, Lage und individuelle Nutzungsdauer. Hierbei handelt es sich um eine doppelte Grabstelle, in der die einzelnen Bestattungen neben- oder übereinander stattfinden. Die Grabstätte kann innerhalb der ausgewiesenen Friedhofsfelder frei gewählt werden, Nutzungsrechte können über die Ruhefrist hinaus verlängert werden. Damit kann das Grab in den Händen einer Familie bleiben. Ein wichtiger Aspekt beim Wahlgrab ist in vielen Gemeinden auch, dass nur bei diesen Gräbern eine Einfassung und Abdeckung aus Stein genehmigt werden. Bei Reihengräbern muss oft die Grabfläche bepflanzt werden.

Die pflegefreie Variante der Erdbestattung ist ein Rasen- oder Wiesengrab. Die Grabdenkmäler stehen in einer vom Friedhofsträger gemähten Rasenfläche. Blumen oder Grabschmuck sind nicht möglich.

Das Urnengrab: Aufgrund des gesellschaftlichen Wandels unserer Bestattungskultur, sind heute ca. 60% unserer Bestattungen Feuerbestattungen. Diese werden oft gewählt, um die Angehörigen finanziell und bei der Grabpflege zu entlasten.

Für die klassische Erdbestattung der Urne gibt es ebenfalls Reihen- und Wahlgräber, sowie Urnen-Rasengräber mit unterschiedlichen Nutzungs- und Gestaltungs-vorschriften, welche von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich sind.

Dem Wunsch nach Pflegefreiheit der Grabfläche wird durch sogenannte pflegefreie Gemeinschaft-Grabanlagen oder Friedhparks zunehmend Rechnung getragen. Die Gestalt unserer Friedhöfe wird sich in den nächsten Jahren verändern, dies hat mit Grabfeldern für Verstorbenen anderer Kulturen und Religionen zu tun, aber auch mit einer größeren Bandbreite ästhetischer Stile und unterschiedlicher finanzieller Möglichkeiten. Die Grundpflege und Bepflanzung ist in den Friedhofsgebühren enthalten Name und Lebensdaten des Verstorbenen werden auf einem zentralen Denkmal oder auf gleichartigen Liegeplatten angebracht. Vermehrt werden auf den Friedhöfen auch Urnenwände, sogenannte Kolumbarien angeboten. Dort werden Urnen in einer Wand mit einzelnen Kammern beigesetzt. Die Gestaltung der abdeckenden Steinplatte ist auf die Schrift beschränkt.

Auch anonyme Bestattungen sind im Kommen. Immer mehr Menschen entscheiden sich für eine Beisetzung ohne Namen und ohne erkennbaren Grabplatz. In den meisten Fällen als anonyme Urnenbeisetzung, für die allerdings eine Verfügung des Verstorbenen vorliegen muss. Namenlose Körperbestattungen sind eher selten.

Alternativ zur traditionellen Form der Bestattung auf dem Friedhof wünschen sich immer mehr Menschen eine andere Art des Abschiednehmens und Erinnerns. Eine Sonderform der anonymen Bestattung ist das Ausstreuen der Asche Verstorbener. In Deutschland ist das nur auf bestimmten Aschewiesen innerhalb eines Friedhofs möglich. In Nachbarländern wie der Schweiz, Frankreich oder den Niederlanden darf die Asche auch in Wäldern, über Bergen, Seen oder dem Meer ausgestreut werden.

In einem umzäunten Waldstück, dem sogenannten Friedwald können Menschen ihre Angehörigen in den Kreislauf der Natur zurückgeben und sie an Bäumen bestatten. Diese Friedwälder sind öffentlich ausgewiesen und jederzeit zugänglich. Nach der Einäscherung wird die biologisch abbaubare Urne mit der Asche des Verstorbenen an den Wurzeln des gewünschten Baumes beerdigt. Dabei stehen eine Vielzahl von Baumarten zur Verfügung.

Hinsichtlich der Trauerbewältigung muss aber klar gesagt werden, dass die klassischen Rituale der Beerdigung wie Trauerzug, Gebete und Gesänge am Grab und das Hinablassen des Sarges, der Tröster, sowie das sichtbare Vorhandensein einer Grabstätte den Angehörigen in ihrem Trauerprozess helfen. Da beim anonymen Grab die Lage des Grabes nicht bekannt ist, gibt es keinen Platz zum Trauern. Bei der Waldbestattung ist das Grab für ältere Leute oft schwer erreichbar, da der Friedwald außerhalb von Ortschaften liegt und sich die Grabstellen oft in unwegsamen Gelände befinden. Der soziale Aspekt – das Treffen auf dem Friedhof -fällt weg.

Die Friedhöfe der Zukunft werden bunter, vielfältiger, sowie die Gestaltung der Grabdenkmäler individueller. Das Grabdenkmal soll die Einzigartigkeit des Verstorbenen und seiner Lebenswelt widerspiegeln. Auch wenn sich Beerdigungsrituale verändern, so doch nicht das Bedürfnis nach individueller Trauer der Angehörigen. Die Sache „Friedhof“ ist jedermanns Sache. Das „DENK-MAL“ – in Stein gemeißeltes Bekenntnis zum Verstorbenen. Als letztes Geschenk und Zeichen der Wertschätzung.